| Wiener Modell | 
| Heidi von Rüden | 
| Das Wiener Gitarrenmodell ist ein im wesentlichen von Johann 
Georg Stauffer (1778-1853) ausgebildeter Gitarrentyp mit längs 
gewölbtem Boden und starker Einschnürung des Mittelbugs. Zudem 
lassen sich sehr oft hochgewölbte Rippen feststellen. Viele 
Instrumente wurden mit einer sogenannten Stauffermechanik 
ausgestattet. | 
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Stauffermechanik: 1825 von 
Johann Georg Stauffer erfundene 
Stimmmechanik: Wirbelplatte mit 
asymmetrischem volutenartigem 
Kopf (vgl. Voluten an frühen 
Zithern), durch die Platte 
geführten Wirbelstiften mit 
Schneckengetriebe und 
seitenständigen Wirbeln mit 
Knopf; die Wirbel sind einreihig 
auf der rechten Seite der 
Wirbelplatte angeordnet. 
Besonders die auffallend 
starke Einschnürung der Taille, die sich in einem 
Verhältnis von ca. 13:24 zur unteren Korpusbreite 
bewegt, wurde zum Kennzeichen dieser klassischen 
Gitarrenform. Neben Johann Georg Stauffer wurde das 
Modell von einer Reihe weiterer in Wien ansässiger 
Instrumentenbauer gefertigt: Johann Bucher (1972 zu 
Hammerschwang in Württemberg -1856 in Wien), Joachim 
Ehlers (Wien 1825), Bernhard I. Enzensperger (um 1780-um 
1855), Johann Anton Ertl (Wien 1809. 1828), Friedrich 
Schenk (Wien 1839. 1850). | 
 
Gitarre, Johann. Georg 
Stauffer, Halle, Händel-Haus, Inv.-Nr. MS-150 
Lit.: Sasse 1972, S. 272f.; Heyde 1983, S. 108f. | 
 
 
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| "Demgegenüber weisen die alten Meister der gitarrenspielenden 
Länder Spanien, Italien und 
Frankreich eine abweichende, 
mehr längliche Linienführung, 
die, wie durch Vergleiche und 
Versuche leicht festgestellt 
werden kann, eine ganz andere 
Tonfärbung zur Folge hat. Sie 
alle besitzen einen weichen, 
vollen, sonoren Klang gegenüber 
dem mehr hellen, kurzen Klang 
der Wiener Gitarren. Akustisch 
ist dabei zu beachten, daß für 
jede Tonschwingung die Längen 
der Fichtenjahre, ähnlich wie 
bei der gespannten Saite, 
maßgebend sind. Werden diese 
Längslinien durch das freilich 
unentbehrliche Schalloch und 
starke Tailleneinbuchtung 
zerrissen, so kommen sie für 
eine einheitliche 
Längsschwingung nicht in 
Betracht. Selbstverständlich 
schwingen auch die kurzen Teile 
und kommt eine Ausstrahlung des 
Tones nach der Breite in Frage. 
Diese Dauerschwingung bildet den 
wichtigsten Klangfaktor der 
Gitarre und ist entscheidend für 
die Qualität des Tones. Daneben 
kommen als weitere wichtige 
Faktoren die Zargenhöhe, Form 
und Lage der Tonbalken u. a. m. 
in Betracht. Dieser Unterschied 
läßt sich bei alten Instrumenten 
ohne weiteres nachweisen. 
Besonders auffallend ist er beim 
Vergleich von zwei Terzgitarren 
mit starker und geringer 
Einschnürung" 
(Schwarz-Reiflingen 1923, 25f.). | 
 
 
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Der Klang dieser Modelle wird durch die 
Konstruktion beeinflußt. 
Die Wiener Modelle von Richard Jacob weisen die 
typischen Merkmale dieses Gitarrentyps, die 8-Form mit 
einem stark eingezogenen Mittelbug auf. Auch an diesen 
Modellen läßt sich Richard Jacobs meisterliche 
Kunstfertigkeit ablesen. Er gibt ihnen einen 
eigenwilligen Charakter durch besonders gestaltete 
Kopfformen und dazu passenden geschnitzten Stegen. 
Martin Jacob bemerkte dazu: "Außerdem gab es zu keiner 
Zeit so viele Stegschmuckformen wie bei den Wiener 
Modellen." (Martin Jacob 1988). Diese 
Gestaltungsmerkmale fallen auf, da die Korpora der 
Wiener Modelle eher schlicht gearbeitet wurden, d.h. mit 
einfacher Randeinlage und Schallochumrandung. | 
 
 
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Richard Jacob beschreibt in seinem 
Katalog verschiedene Wiener Modelle: das Wiener 
Damen-Modell, das Herrenmodell, die Große Wiener 
Konzert-Gitarre, eine Quint-Baß-Gitarre und eine 
Terz-Gitarre. Diese Gitarren unterscheiden sich im 
wesentlichen durch unterschiedliche Mensurlängen und 
Korporagrößen. | 
 
| Richard Jacob: Verkaufskatalog 1933, S. 
4: "Nr. 45 Wiener Damen-Modell / Nr. 48 Große Wiener 
Konzert-Gitarre" | 
 
 
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| Für den Entwurf der Wiener Modelle Richard Jacobs galten 
vielleicht alte Wiener Instrumente als Vorlage. Die Konstruktion 
Wiener Gitarren lernten Markneukirchner Gesellen (u.a. Karl August 
Jacob) während ihrer Lehrzeit in der Werkstatt Stauffers kennen.
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| Erwin Schwarz-Reiflingen (1923, 25f.) kommentierte diese 
Beziehung zum vogtländischen Instrumentenbau so: "Nach Erlöschen von 
Wiens ruhmreicher Generation von Gitarrenmachern, der Stauffer, 
Schenk, Ertl, Enzensberger, Ehlert, Bucher u. a., nahm sie ihren Weg 
Mitte des vorigen Jahrhunderts in den aufblühenden 
Musikinstrumentenbezirk des sächsischen Vogtlandes mit 
Markneukirchen als Hauptort. Bei den ersten Markneukirchner Gitarren 
lassen sich noch ziemlich genau die Maße der Wiener Gitarren 
feststellen, wenngleich die Arbeiten auch viel roher und 
handwerksmäßiger sind. Die anfangs nicht üblen Gitarren wurden von 
den späteren Generationen gedankenlos, serienweise nachgebaut und 
verloren ihren Charakter." | 
| Martin Jacob nennt zwei Veränderungen: "das Abheben des 
Griffbrettes um einen besseren Ton zu schaffen und die Verwendung 
von einem dauerhaften Bundmaterial: Neusilber." | 
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| Die Große Wiener Konzert-Gitarre ist das größte beschriebene 
Modell. Laut Richard Jacob hat diese Gitarre eine Mensur von 65 cm 
und die größte Breite des Korpus ist 40 cm. Das Museum besitzt 3 
Modelle, die eine Mensurlänge von 625 mm haben. Es sind 
Damen-Modelle. Die Gitarre mit der Inv.-Nr. 4759 hat 7 Saiten und 
eine Mensurlänge von 632 mm. Die siebte Saite der Gitarre ist über 
dem Griffbrett angebracht und kann auch in der Tonhöhe verändert 
werden. Im Katalog Weißgerbers wird ein Wiener Modell als 
Quint-Baß-Gitarre aufgeführt mit 1 freischwingendem Kontra D. 
Quintbassgitarren sind nach Zuth (1978, S. 226): eine größere 
Gitarreform in der Stimmung: A, – D – G – c – e – a mit einer Mensur 
von etwa 70cm; neuerdings wird eine freischwebende Baßsaite 
hinzugefügt. Um die Stimmung der Gitarre mit sieben Saiten zu 
ermitteln wurden die Saitenstärken (wahrscheinlich sind die Saiten 
original) gemessen. Demnach handelt es sich um die Stimmung einer 
"Russischen Gitarre": D – G – H – d – g – h – d', die zu Beginn des 
19. Jahrhundert in Russland sehr populär war und 7 Spielsaiten 
besaß. | 
| Als grundlegendes Prinzip wurde die Querbeleistung von Decke und 
Boden angewendet. Der zweiteilige Boden der Gitarre wurde auch in 
Längsrichtung stark gewölbt. Die Gitarren des Wiener Typs aus dem 
frühen 19. Jh. hatten drei bis fünf Querleisten auf Decke und Boden. 
Außerdem haben diese Gitarren einen Steckersteg. | 
| Richard Jacob stattete die Decke in der 
Regel mit fünf Querleisten aus. Zwei befinden sich 
oberhalb des Schallloches und von den drei weiteren 
Leisten ist eine unterhalb des Steges positioniert. Bei 
der Gitarre mit der Inv.-Nr. 4759 fällt auf, dass die 
zwei Leisten ober- und unterhalb des Steges nicht genau 
waagerecht zur Mittellinie stehen, sondern leicht schräg 
verschoben sind, auf der Diskantseite etwas höher als 
auf der Baßseite. Bei allen Gitarren wurde der Steg 
unterfüttert. Die Decken sind am Rand dünner als in der 
Mitte, der Bereich vor dem Steg wurde zur Mitte 
schwächer ausgearbeitet. Die Stärken schwanken bei der 
Inv.-Nr. 4762 von 2,8 mm bis 3,1 mm und bei den Gitarren 
Inv.-Nr. 4760 und  Inv.-Nr. 4761 von 2,6 mm bis 3,0 mm. 
Die Decke der Inv.-Nr. 4759 ist am meisten 
ausgearbeitet. Am Rand teilweise nur 1,9 mm und in der 
Mitte (auch oberhalb des Steges) 3,2 mm. | 
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| Richard Jacob: Wiener Modell, 
Markneukirchen 1923; Inv.-Nr. 4761 | 
 
 
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| Die Gitarren haben vier Bodenleisten, die etwa gleichmäßig über 
den Boden verteilt sind. Diese wurden mit einer Höhe von 20 mm und 
ca. 8 mm Breite gefertigt, um die starke Wölbung zu erhalten. | 
| Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass die Wiener Modelle etwas 
schwerer, stärker und stabiler gebaut wurden als die anderen 
Gitarren. Martin Jacobs Begründung für diese Bauweise lautete: durch 
die Querbeleistung der Decke erhielt man einen kräftigen Ton, der 
sich dann in jener Zeit bei der Schrammelgitarre bewährte" (Martin 
Jacob 1988). Vielleicht wurden diese Instrumente später von den 
Spielern als Schlaggitarren verwendet und mit Stahlsaiten bezogen, 
wofür die Mechaniken mit Metallwellen an drei vorhandenen 
Instrumenten sprechen. Als Korpusholz diente in der Regel geflammter 
Ahorn, worauf auch im Verkaufskatalog hingewiesen wurde. | 
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Inhalt |  Weißgerber-Gitarren: 
Überblick  |  4759  | 
4760  | 
4761  | 
4762 | 
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