Griffbrettlose Zithern |
Andreas Michel |
Die moderne Zither, die aus dem Scheitholt hervorging und Merkmale von Zister und Gitarre adaptierte, ist generell eine
Griffbrettzither. Als solche erlangte sie musikhistorische Bedeutung und die Integration in das zeitgenössische Musikleben. Die
Entwicklung griffbrettloser Zithern, die an das spätmittelalterliche Psalterium anknüpfen, bildet sowohl morphologisch als auch
musikkulturell einen Sonderstrang. Im Zuge der kleinbürgerlichen und proletarischen Demokratisierungsbestrebungen des Musiklebens seit
dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurde vielerorts die Forderung nach einfach und problemlos - wenn möglich ohne
Notenkenntnisse - zu erlernenden, billigen und vielfältig nutzbaren "Volksinstrumenten" erhoben. Die Instrumentenindustrie bediente das,
wie aus den Verkaufszahlen hervorgeht, massenhafte Interesse mit unzähligen Erfindungen, Neuentwicklungen und zum Teil wenig
durchdachten Experimenten. Manche Kuriosität wurde marktschreierisch angepriesen. |
Die Idee, ein griffbrettloses Zitherinstrument für die volksmusikalische Freizeitbetätigung zur Verfügung zu stellen, kann
in diesem Kontext gesehen werden. Dabei gehen die "Erfinder" unterschiedlichen Wegen nach, die sich unter
systematischen Aspekten folgendermaßen ordnen
lassen: |
a) |
Griffbrettlose Zithern mit chromatischer oder teildiatonischer Saitenanordnung von der tiefsten zur höchsten Saite (ein- oder doppelchörig). |
b) |
Griffbrettlose Zithern mit einer Saitenanordnung in Akkorden ohne Melodiesaiten, die ausschließlich das Akkordspiel erlaubt. Ein solches Instrument ist beispielsweise die Harfen-Zither "Aeol" (Inv.-Nr.
4151), die von dem deutschen Vertreter der amerikanischen "Aeolian Company", A. Eichler in Berlin, vertrieben wurde. Sie stellt ein reines Begleitinstrument dar, das lediglich über fünf Akkorde verfügt. |
c) |
Kombination von a + b; also mit einzelnen Melodiesaiten, zu denen 5-7 in Akkorden
zusammengefaßte Saitenchöre treten. Diese Instrumente ermöglichen das Melodiespiel mit eingeschränkter
funktionsharmonischer Begleitung. |
|
|
Die diesen Modellen gegebenen Namen, meist sind es wohlklingende Reklamemarken, wirken eher verwirrend und irreführend. Sie heißen
"Gitarre-Zithern", "Harfen-Zithern", um Klangvorstellungen zu assoziieren, die kaum eingelöst werden können. Die wohl am nächsten
liegende Bezeichnung "Akkordzither" meint allerdings Instrumente mit Manualen. |
Verkaufskatalog der Handelsfirma Edmund Paulus, Markneukirchen um 1930, S. 19 |
|
|
Eigens für die griffbrettlosen Zithern wurden Unterlegblätter erfunden, die mit Hilfe von unter den Saiten liegenden Diagrammen
dem notenunkundigen Nutzer das Abspielen einstimmiger Tonfolgen ermöglichen können. Dieses System der Unterlegblätter erfand Theodor
Meinhold 1891 (D.R.P. 60200 und 63702), von dem die Leipziger Sammlung eine "Accord-Zither-Harfe" ("Autoharp") samt zugehöriger
Unterlegblätter, Schulen u.ä. besitzt (Inv.-Nr. 4131).
Die Ziffern und Zeichen bedeuten:
- |
Ziffer |
nur einzelne Basssaite |
- |
Ziffer mit Punkt darunter |
Akkord ohne Basssaite |
- |
Ziffer mit Bogen darunter |
Akkord mit Basssaite |
|
"Unterlegblatt" für Gitarrenzither; Verlag Menzenhauer, Berlin, ca. 1900 |
|
Die Zeitschrift für Instrumentenbau teilte 1904 in einem Bericht "Zur Lage der Musikinstrumenten-Industrie in Berlin im Jahre 1903"
mit: "Die seit mehreren Jahren eingeführten und auch jetzt in Berlin hergestellten Instrumente mit unterlegbaren Noten erfreuten sich
noch immer guter Aufnahme, insbesondere gilt dies für die sogenannte Gitarre-Zither" (ZfI XXIV (1904), S. 519). |
Mit diesem etwas irreführenden Namen wurden Zitherinstrumente ohne Griffbrett bezeichnet. Aus baulicher Sicht haben diese Zithern
wenig mit der Gitarre gemein; die Bezeichnung lehnt sich vielmehr an einen für das Akkordspiel auf der Gitarre typischen Klang an. Zu den
meist drei Oktaven umfassend und chromatisch gestimmten Melodiesaiten (c' - c''') kommen 24-30 in fünf oder sechs Akkorden
zusammengefaßte Begleitsaiten (z.B.: E-Dur - A-Dur - D-Dur - F-Dur - G-Dur - C-Dur). |
|
|
Annonce der Firma Menzenhauer & Schmidt in: ZfI XXII (1901/1902), S. 366 |
|
1894 wurde dem Berliner Friedrich Menzenhauer eine "Gitarr-Zither" patentiert, die u.a. von der Firma Oscar Schmidt
("Menzenhauer & Schmidt") in Berlin, aber auch in New Jersey (USA) hergestellt wurden (Heyde 1994, S. 229f.). In der Leipziger Sammlung
befinden sich einige derartige Gitarrezithern. |
Noch weiter in ihrem musikalischen Anspruch reduziert wurden die ebenfalls von deutsch-amerikanisch Konsortien vertriebenen
Harfen-Zithern. Diese, von dem deutschen Vertreter der New Yorker "Aeolian Company", A. Eichler in Berlin vertriebenen
Zitherinstrumente verzichten ganz auf die Melodiesaiten und wurden als reines Begleitinstrument mit fünf oder sechs Akkorden
ausgeführt. |
Trotz der vehementen und verständlichen Ablehnung dieser Instrumente durch die traditionellen Zitherspieler erfreuten sich
die mit Unterlegnoten ausgestatteten Gitarrezithern einer großen Verbreitung. Zudem unterlagen auch sie zahlreichen Modifikationen und "Verbesserungen", so als "Mandolin-Gitarr-Zither" durch die
Verdoppelung der Melodiesaiten nach Mandolinen-Vorbild. 1900 wurde dem
Klingenthaler Fritz Mühlmann eine "Lyra-Zither" patentiert (D.R.G.M. 128812 vom
15.01.1900), eine "Guitarre-Zither mit zwei durch Säulen verbundenen Harfenköpfen".
Der Name leitet sich von der Formgebung, die an die
Lyra erinnern soll, ab. |
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichte die Produktion der "Guitarrenzithern" vor allem im Vogtland einen
beträchtlichen Umfang: "Von diesem Instrumente werden gegenwärtig in Markneukirchen, Klingenthal und Umgebung wohl
mindestens 100 Dtzd. pro Tag hergestellt." (Kürth 1910, S. 36)
Noch am Ende der dreißiger Jahre bot die Klingenthaler Handelsfirma Meinel und Herold eine ganze Palette solcher
Gitarrenzithern an (Angebotskatalog Nr. XXXV der Handelsfirma Meinel & Herold, Klingenthal, um 1940, S. 67ff.): |
Nr. 8 |
Gitarrzither |
41 Saiten |
5 Akkordgruppen |
Nr. 9 |
Gitarrzither |
41 Saiten |
5 Akkordgruppen |
Nr. 6 |
Gitarrzither |
41 Saiten |
5 Akkordgruppen |
Nr. 3 |
Gitarrzither |
49 Saiten |
6 Akkordgruppen |
Nr. 111/1 |
Mandolin-Gitarr-Zither |
62 Saiten |
5 Akkordgruppen |
Nr. 105/5 |
Gitarrzither |
56 Saiten |
5 Akkordgruppen (je Akkord 7 Saiten) |
Nr. 102/6 |
Salon-Harfen-Gitarrzither |
67 Saiten |
6 Akkordgruppen (6x7) |
Nr. 102/5 |
Salon-Harfen-Gitarrzither |
41 Saiten |
5 Akkordgruppen |
Nr. 117/5 |
Mandolin-Harfen-Gitarrzither |
77 Saiten |
5 Akkordgruppen (5x7) |
Nr. 10 |
Konzert-Harfen-Gitarrzither |
49 Saiten |
6 Akkordgruppen |
Nr. 117/10 |
Konzert-Mandolin-Harfen-Gitarrzither |
74 Saiten |
6 Akkordgruppen |
|
Gitarrenzithern der Leipziger Sammlung |
Inv.-Nr. |
Signatur / Marke |
Besaitung
|
Gesamt |
Melodiesaiten |
Akkorde |
4690 |
"GUITAR ZITHER / N° 2½ / REGINA / D.R.P. / 60200 63702 / Mit unterlegbaren Notenblättern" |
27 |
15 |
3 |
4056 |
"Valsonora / Zither / GES. GESCH." (Vogtländisch) |
41 |
21 |
5 |
4567 4289 |
"F. MENZENHAUER'S / GUITAR-ZITHER / No. 2½ / D.G.M.P. No. 168.664 / Fabricirt von / MENZENHAUER & SCHMIDT / BERLIN - NEW YORK" |
41 |
21 |
5 |
4609 |
"Guitar=Zither / Manufacturing Co., MAIN OFFICE: 210 East Tenth Street, / NEW YORK CITY, U.S.A." / "INTERNATIONALE / GUITAR-ZITHER NEW YORK. / HAMBURG / ALTER / STEINWEG 78/79" |
41 |
21 |
5 |
4655 |
"GUITARZITHER / N° 22½ / REGINA / D.R.P. angem. / D.R.G.M. 227004 / Mit unterlegbaren Notenblättern"; "Amerikanische Guitar-Zither N° 2½ Regina" |
62 |
²21 |
5 |
4311 |
"Mandolin-Zither Reform", Schutzmarke "Kronenzither Reform" |
62 |
²21 |
5 |
4508 |
"Menzenhauers Guitar-Zither / 3½ ORIGINAL 3½ / Menzenhauer & Schmidt. Berlin." |
49 |
25 |
6 |
4347 |
"The / Mandolin / HARP / Made in Saxony." / "Mandolin Salon=Harfe / D.R.G.M. / N° 266784. 266784." |
74 |
²25 |
6 |
|
Inhalt |
Zithern Übersicht |
Bibliographie |
4289 | 4508 |
© STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE 2001 |