Die Zither-Sammlung des Musikinstrumenten-Museums der Universität Leipzig |
Andreas Michel |
Das Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig besitzt heute mehr als zweihundert europäische Zithern. Dieser relativ
umfangreiche Bestand basiert bereits auf einem frühen Fundus, der um die
Jahrhundertwende in die Sammlung gelangte. |
Von den inzwischen ersetzten Verlusten sollen
das Chordephon (Nr. 3273) und das Pentaphon (Nr. 3493) erwähnt
werden. Unter den neu hinzugekommenen Objekten sind Zithern aus
der Mitte des 19. Jahrhunderts von Neuner & Hornsteiner (Nr.
3773), Georg Heidegger (Nr. 3780), Max Amberger (Nr. 3995),
Xaver Kerschensteiner (Nr. 3963), eine Streichzither von Anton
Kiendl (Nr. 3236), Zithern von August Moritz Meinel (Nr. 3930,
3931) u.a.m. Viele wertvolle Stücke wurden aus Nachlässen
bedeutender Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Zithermusik
übernommen. So stammen aus dem Nachlaß des Leipziger
Zitherspielers und -komponisten Rudolf Anton Kabatek (1836-1882)
neun historische Instrumente (Nr. 3361-3368, 3780) und die
beiden Zithern von August Moritz Meinel aus dem Nachlaß von
Alfred Schicker, Leipzig. |
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Der in Prag am 4.4.1836 geborene
Rudolf Anton Kabatek ließ sich 1856 als Drechsler und
Zitherlehrer in Leipzig nieder. Er gründete 1872 einen
Zitherverein und 1877 einen eigenen Musikalienverlag.
Kabateks Kompositionen und seine Zitherschule erlangten
beachtliche Verbreitung (Kennedy 1896, 105f.). |
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Diese Einschätzung ist aus mehrfacher Sicht
bemerkenswert. Zum einen zeigt sie den Weitblick und das umfassende
Kulturverständnis Wilhelm Heyers, weil er sein Interesse auch auf die
Musikinstrumente der sogenannten Unterschichten lenkte. Desweiteren
erkannte er früh die musikhistorische Bedeutung eines Instrumententyps,
der sich trotz relativ später Herausbildung, und erst weit nachdem die
meisten anderen Instrumente bereits fest etabliert waren, in das moderne
Musikleben integrieren konnte. |
Viele der Zithern können als ausgesprochene Raritäten aus
der Frühgeschichte um 1800 bis 1840 gelten (Instrumente von Franz Kren,
Anton Kiendl, Ignaz Simon, Georg Tiefenbrunner, Max Amberger). Daneben
ist die Tatsache bemerkenswert, daß auch damals ganz neuartige
Experimente, wie das Pentaphon, in die Sammlung aufgenommen wurden. |
Leider konnte der großartige Bestand der Zithern nicht
bis in die Gegenwart erhalten werden. Etwa die Hälfte von ihnen gilt
heute als Kriegsverlust. Daß sich darunter eine ganze Reihe der
wichtigsten historischen Belege befindet - dieses Schicksal teilen die
Zithern mit fast allen anderen Instrumentengruppen des Museums - ist
besonders schmerzlich. Zu den Verlusten gehören zum Beispiel das mit der
Brandmarke "sT" und der Jahreszahl 1675 markierte Scheitholt Inv.-Nr.
413, vier Zithern von Franz Kren aus den dreißiger Jahren des 18.
Jahrhunderts (Nr. 436-438 und 445) sowie Instrumente von Georg
Tiefenbrunner (Nr. 456, 462, 470), Ignaz Simon (Nr. 464), Georg
Heidegger (Nr. 465) und Friedrich Diehl (Nr. 467). |
Durch eine intensive Sammeltätigkeit in den vergangenen
vierzig Jahren - es gelangten in diesem Zeitraum über einhundert Zithern
neu in den Bestand - konnten neben Ergänzungen zur jüngeren Geschichte
auch einige der Kriegsverluste kompensiert werden. |
Der Kölner Instrumentensammler Wilhelm Heyer erwarb für sein Musikhistorisches Museum, eine damals bereits bedeutende Kollektion, eine größere Anzahl Zithern aus dem Besitz von Wilhelm Rück und Julius Eduard Bennert, so daß der Kustos Georg Kinsky 1912 insgesamt achtzig Zitherinstrumente
katalogisieren konnte (Inventarnummern 411-491). Zusammen mit den beiden wichtigsten Grundstöcken des Museums, den Sammlungen des Leipzigers Paul de Wit und des Florentiners Alessandro
Kraus wurden hingegen nur sehr wenige Zithern übernommen. Aus der Sammlung Kraus stammt lediglich das Instrument von Tiefenbrunner aus dem Jahre 1850 (Nr. 462; Kriegsverlust) und von Paul de Wit übernahm Heyer insgesamt sieben Zithern (Nr. 454, 415, 427, 469, 426, 475; vgl. de Wit 1903, S. 84f.; die vagen Angaben zu dem von de Wit unter Nr. 221 genannten "zitherähnlichen Instrument" lassen keine Identifizierung zu).
Georg Kinsky schrieb 1912 deshalb zu recht im 2. Band des Kataloges zur Heyer-Sammlung in Köln: "Durch die Angliederung
der beiden bedeutenden Zither-Sammlungen von Wilhelm Rück in Nürnberg und Julius Eduard Bennert in Cöln besitzt das
musikhistorische Museum in Cöln jetzt die reichhaltigste historische Sammlung auf diesem Gebiet." (Kinsky 1912, S. 439) |
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Wilhelm Rück, 9.5.1849 Schillingsfürst - 27.11.1912 Nürnberg; Begründer einer bedeutenden Musikinstrumenten-Sammlung, die zu seinem Tode 344 Exponate umfaßte und von seinen Söhnen Hans und Ulrich Rück weitergeführt wurde. Der später zur umfangreichsten privaten Sammlung angewachsene
Bestand ging 1962 in den Besitz des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg über. Aus den
Bemerkungen Georg Kinskys kann geschlossen werden, daß Rück die Zither-Sammlung bereits vor seinem Tode
dem Musikhistorischen Museum von Wilhelm Heyer durch Verkauf oder Tausch übereignete.
Julius Eduard Bennert (1856-1905); Kölner Kaufmann und Fabrikdirektor. Er beschäftigte sich seit 1874
mit dem Zitherspiel und begann 1880 mit der Niederschrift einer "Illustrierten Geschichte der
Zither", zu der er Instrumente seiner Privatsammlung heranzog. Etwa 1885/86 erschien das Buch, das u.a. ein Vorwort von Herzog Maximilian von Bayern und die Schilderung eines Besuches bei dem berühmten Johann Petzmayer enthält. Für die Geschichte der Leipziger Sammlung ist Bennerts Buch von großer Bedeutung, da es einige Abbildungen und Beschreibungen von Instrumenten enthält, die später in das
Musikhistorische Museum von Wilhelm Heyer gelangten. |
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Der Bestand der Leipziger Sammlung kann die Geschichte
der Zither insbesondere im 19. Jahrhundert umfassend repräsentieren.
Damit gestattet er auch einen Einblick in allgemeine Zusammenhänge der
Entwicklung des Instrumentenbaus. Da sich in einem relativ kurzem und
gut überschaubarem Zeitraum (18. Jahrhundert bis Mitte 19. Jahrhundert)
die Zitherinstrumente allmählich und in erheblicher Formenvielfalt
ausprägten, können diese Aspekte besonders anschaulich verfolgt werden. |
Mit der Geschichte der Zithern sind einige interessante
Parallel- und Sonderentwicklungen verbunden (Streichzithern, mechanische
Zithern, Akkordzithern, Manualzithern, andere Kompilationen), die
ebenfalls zunächst unter dem Gesichtspunkt der Formen- und Artenvielfalt
zu betrachten sind, darüber hinaus aber auch Erkenntnisse für die
Stammverzweigung (Kladogenese) und die Höherentwicklung (Anagenese) im
Instrumentenbau liefern. |
Sammlungsbestand |
Anzahl |
Zithertyp (-modell) |
Inventar-Nummer (** = Kriegsverlust) |
1 |
Aliquodium (Untersatzzither) |
480 |
1 |
Arionzither |
3963 |
1 |
Baßzither |
3915 |
3 |
Chordephon (Lochplattenzither) |
483**; 3273; 3850 |
4 |
Doppel-Zither |
473; 474; 475; 476** |
1 |
Épinette des Vosges |
412 |
9 |
Gitarren-Zither |
4056; 4289; 4311; 4347; 4508; 4567; 4609; 4655; 4690 |
2 |
Harfenzither |
4151; 4539 |
32 |
Konzertzither |
472**; 3321; 3650; 3773; 3779; 3780; 3930; 3931; 4052; 4080;
4112; 4150; 4167; 4200; 4310; 4494; 4496; 4522; 4604; 4606; 4671;
4672; 4673; 4674; 5011; 5012; 3998; 4104; 3963; 3915; 3979; 4165 |
10 |
Kratzzither |
416; 417; 418; 419; 420; 421**; 422**; 423; 434; 3362 |
2 |
Kratz- oder Schlagzither |
431; 435 |
1 |
Mandolinen-Zither |
489 |
14 |
Manualzither |
477**; 479**; 3652; 3825; 3940; 3952; 4035; 4057; 4516; 5009; 4517; 4694; 4805; 4131 |
1 |
Melophon-Zither |
4722 |
3 |
Perfektazither |
3926; 3979; 4323 |
1 |
Psalteriumszither |
481 |
1 |
Reformzither |
4165 |
8 |
Scheitholt |
411; 412; 413**; 414; 415**; 4559; 4723; 4820 |
49 |
Schlagzither |
424; 425**; 426**; 427**; 428; 432; 433**; 436**; 437**; 438**;
439**; 440**; 441**; 442; 443; 444; 445**; 446**; 447**; 448; 449;
450; 451; 452; 453; 454; 455; 456**; 457; 458; 459; 460; 461**;
462**; 463; 464**; 465**; 466**; 467**; 468**; 469; 470**; 3103**;
3361; 3363; 3365; 429; 430; 471 |
5 |
Schoßgeige |
3672; 3995; 4051; 4869; 4877 |
10 |
Stössel-Laute |
3277; 3636; 4599; 4808; 3635; 4616; 4665; 3634; 4887; 5013 |
1 |
Streichbandzither "Pentaphon" |
3493 |
4 |
Streichmelodion |
491; 3211; 3399; 3665 |
15 |
Streichzither, herzförmiges Korpus |
484; 485**; 485n; 486**; 487**; 3208; 3236; 3366; 3368; 3396; 3654; 3918; 4130; 4134; 5010 |
3 |
Streichzither; balkenförmiges Korpus |
488**; 3367; 3646 |
1 |
Streichzither; pyramidenförmiges Korpus ("Dreieckszither") |
490 |
1 |
Terzzither |
471 |
12 |
Violin-Zither |
3209; 3395; 3511; 3651; 4166; 4307; 4336; 4485; 4498; 4551; 4715; 4862 |
1 |
Zither mit Kapotaster-Einrichtung |
3364 |
2 |
Zitherartige Instrumente |
482**; 3383 |
2 |
Zusammenklappbare Zither (Reisezither) |
478**; 3913 |
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Inhalt |
Zithern - Übersicht |
Bibliographie |
© STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE 2007 |