Richard Jacob – Anmerkungen zur Biographie |
Angela Waltner |
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Richard Jacobs Bedeutung als herausragender
Gitarrenbauer des 20. Jahrhunderts gründet sich in einer
Vielzahl von Einflüssen, Traditionsbezügen und kreativen
Konzepten. Kann als Ausgangspunkt seiner Entwicklung die relativ
autarke Gitarrenbautradition im sächsischen Vogtland gelten, so
erlangt er schon früh eine Individualität, die ihn nicht nur als
hervorragenden Handwerker ausweist, sondern auch als
scharfsinnigen Beobachter und unermüdlich Suchenden. Mit
geistiger Mobilität, Interesse an der internationalen
Entwicklung der Gitarre und Sinn für künstlerische Arbeit schuf
er ein Lebenswerk, das an Vielfältigkeit unter Gitarrenbauern
seinesgleichen sucht, jedoch zugleich einheitlichen Charakter
zeigt. |
Richard Jacob (1877-1960); Aufnahme um 1955 |
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Das Schaffen von Richard Jacob läßt sich in drei
Perioden einteilen (vgl. Martin Jacob 1988): |
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Richard Jacob begann im Jahre 1905 die
selbständige Tätigkeit als Instrumentenbauer. Die ersten Jahre
waren eine Zeit des Suchens. Er zog Instrumente der vergangenen
Jahrhunderte, hauptsächlich der Biedermeierzeit, als Vorbilder
heran, wandelte sie ab und experimentierte vor allem mit Formen,
Materialien und Konstruktionsarten. |
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Eine zweite Schaffensperiode begann mit dem
Gastieren spanischen Gitarristen wie Miguel Llobet und Andres
Segovia in Deutschland anfangs der zwanziger Jahre. Durch diese
Künstler wurde in Deutschland die von Antonio de Torres
ausgehende Konstruktionsmethode der spanischen Gitarre mit
Fächerbeleistung bekannt. Bei Konzerten von Segovia und Llobet
in Markneukirchen erhielt Richard Jacob höchstwahrscheinlich die
Möglichkeit, deren Instrumente zu untersuchen. Daraufhin
konzentrierte er seine Produktion auf Modelle dieser Bauart. |
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Die Nachkriegszeit markiert einen dritten
Abschnitt im Schaffen Richard Jacobs. In dieser Zeit bis zu
seinem Tode 1960 entstanden – nicht zuletzt in Zusammenarbeit
mit bedeutenden Gitarristen - die bis heute klanglich
wertvollsten Instrumente. |
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Der Gitarrenbau setzte in Markneukirchen Ende des 18.
Jahrhunderts ein, wobei zunächst neben den professionellen Geigenbauern
auch Tischler als Hersteller arbeiteten. Die Produktion nahm
kontinuierlich zu. Zu den frühen Zeugnissen des vogtländischen
Gitarrenbaus zählt ein Instrument von Johann Christian Voigt (Musikinstrumenten-Museum
der Universität Leipzig, Inv.-Nr. 3628). |
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Ein Prospekt der Markneukirchner Handelfirma
Israel Kaempffens Söhne aus den dreißiger Jahren des 19.
Jahrhunderts zeigt verschiedene Gitarrenmodelle, die als Vorbild
den Wiener Gitarrenbau deutlich erkennen lassen. Die Wiener
Schule lieferte in den Anfangsjahren einen Hauptteil an
handwerklichem Wissen. Der Zwang für die Gesellen, sich auf
Wanderschaft zu begeben, sorgte für diesen Transfer.
Im Jahre 1862 wurde dieser Zwang durch die Änderung der
Innungssatzung aufgehoben. Dem Wissen um die Bedeutung einer
guten Aus- und Weiterbildung wurde mit der Gründung einer
Fachschule für Instrumentenbauer 1878 (Museum Markneukirchen
2000, S. 106. Die Fachschule entwickelte sich aus der
Musikschule in Markneukirchen, die reorganisiert und erweitert
wurde. Vgl. Bachmann 1883) und dem Aufbau des
Musikinstrumentenmuseums 1883 Rechnung getragen. Händler
brachten Instrumente durch ihre Geschäftsverbindungen aus aller
Welt nach Markneukirchen.
Die Herstellung der Gitarren erfolgte im wesentlichen im
Hausgewerbe, wobei der Meister allein oder mit ein bis zwei
Gehilfen arbeitete. Oft befanden sich die Werkstätten in der
Wohnung (vgl. Kauert 1969, S. 106f.). Anders als im Geigenbau,
wo die Arbeitsteilung sehr stark ausgeprägt war, fertigten die
Gitarrenbauer sowohl die meisten Bestandteile als auch die
Instrumente selbst. |
Prospekt der Markneukirchner Handelsfirma
Israel Kaempffens Söhne aus den dreißiger Jahren des 19.
Jahrhunderts; Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen |
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Im Jahr 1908 weist das Adressbuch der Stadt
Markneukirchen 83 Gitarrenmacher aus, eines aus dem Jahr 1932 nennt
insgesamt 190 Hersteller in Markneukirchen und den umliegenden Dörfern.
Zur fabrikmäßigen Produktion von Gitarren und Mandolinen ging in den
1880 Jahren Georg Victor Emanuel Wettengel als erster vogtländischer
Unternehmer über. Dieser kam jedoch weniger Bedeutung zu als
beispielsweise im Geigenbau. |
Hermann Richard Jacob wurde 1877 als zweitältestes
von acht Kindern geboren. Schon sein Vater Carl August (1846-1918) war
Gitarrenbauer und lieferte an die heimischen Verleger. Aufgrund des
geringen Familieneinkommens wurde Richard dem Geigenbaumeister Christian
Wilhelm Seidel, seinem Großvater mütterlicherseits, zur Erziehung
gegeben (Jacob, M. um 1985, S. 2). Nachdem Richard Jacob in den Jahren
1891 bis 1894 eine Ausbildung zum Zithermacher absolviert hatte, folgte
eine dreijährige Anstellung als Zithermachergehilfe. Nach seinem
Militärdienst 1897 bis 1899 in Straßburg begann er als Gehilfe in der
Werkstatt des Gitarrenbauers Wilhelm Voigt, der zuvor auch in Amerika
gearbeitet hatte (vgl. Martin Jacob, um 1985, S. 1), wo er insgesamt
sechs Jahre tätig war. |
Von 1905 bis zu seiner Heirat 1911 mit Maria
Magdalena Wächter aus Töpen (Bayerisches Vogtland) arbeitete er als
nunmehr selbständiger Gitarrenbauer in der Werkstatt seines Vaters.
Sowohl für Karl August als auch für Richard Jacob wird im Adressbuch der
Stadt Markneukirchen 1908 in der Rubrik der Gitarrenmacher die
Gartenstraße 123 angegeben. In den ersten Jahren seiner Selbständigkeit
lieferte er an die zwei renommierten Verlegerfirmen Gebr. Schuster und
F. und R. Enders (Maria Jacob 2000, S. 2). Nach seiner Familiengründung
1911 arbeitete er in einer eigenen Wohnung. Spätestens seit 1916 lautete
seine Adresse Breitenfelder Strasse 77, wie aus einem als Feldbrief
adressierten Karton an seine Frau hervorgeht. Richard Jacob diente als
Soldat an der Westfront von 1914 bis 1916 (siehe Maria Jacob 2000, S.
2). |
Die Wohnverhältnisse waren offenbar über lange Zeit
sehr schwierig. In seinem Testament erwähnt Richard Jacob, er sei nach
dem ersten Weltkrieg fünf Jahre ohne eigene Wohnung gewesen. Martin
Jacob berichtet, daß sein Vater 1919 aus einer Wohnung ausziehen mußte,
weil der Vermieter die unter der Decke hängenden Gitarren nicht duldete
(Martin Jacob um 1985, S. 1). Den nächsten Adressennachweis liefert das
Weltadressbuch der Musikinstrumentenindustrie 1925/26 von Paul de Wit.
Der Eintrag lautet: "Richard Jacob. Guitarren-Macher, gegr. 1905.
Klingenthaler Strasse 888". |
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Brandstempel der Gitarre Inv.-Nr. 4765 |
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Das Jahr 1921 brachte einschneidende Veränderungen
für die Geschäftsbeziehungen Richard Jacobs. Aufgrund des restriktiven
Preisdiktats durch die Verleger entschloß sich Richard Jacob, fortan
seine Kunden direkt zu beliefern. Er ließ sich den Namen "Weißgerber"
als Markennamen schützen.
Der Name "Weißgerber" diente entsprechend lokaler Traditionen der
Familie Jacob als Zusatzname, um sie von anderen Trägern des Nachnamens
Jacob unterscheiden zu können. Die böhmischen Vorfahren arbeiteten über
mehrere Generationen als Weißgerber, worunter man jene Gerber verstand,
die mit Hilfe von Salz feines Leder, das vor allem für Handschuhe und
Taschen Verwendung fand, gerbten. Seit 1921 tragen alle Instrumente
Richard Jacobs den Brandstempel "Weissgerber". |
Inwieweit Richard Jacob wirklich keine Instrumente mehr an Verleger verkaufte, ist unklar. Im Katalog Nr. 70 der Firma
Gebrüder Schuster und in einer Preisliste von 1930 derselben Firma sind die für Weißgerber sehr typischen Modelle "Tielke" und "Record" unter
der Bezeichnung "Cid-Gitarren" abgebildet. Da sich die abgebildeten Modelle allerdings in einigen Details (Kopf, Griffbrettform u.a.)
merklich von den Weißgerber-Instrumenten unterscheiden, ist eher ein anderer Hersteller wahrscheinlich. |
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Angebotskatalog Nr. 70 der Handelsfirma Gebrüder Schuster (Schutzmarke "Cid"), Markneukirchen/Sachsen, um 1930, S. 67 |
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Die Krisenzeiten nach dem ersten Weltkrieg veränderten die Lage der Musikinstrumentenbauer in Markneukirchen. Der
Exporthandel war stark rückläufig und die Ergebnisse der Vorkriegsjahre wurden nicht mehr erreicht. Infolge der Inflation verloren viele
Verleger und Industrielle ihr Vermögen. Die meisten der großen Verlagsfirmen mußten schließen. Die Firma Gebrüder Schuster war die
einzige große Firma, welche die Inflation überlebte. Auch an Richard Jacob ging die Inflation nicht spurlos vorüber. Offenbar erlitt er
merkliche Verluste. Seine Tochter Liska sieht darin die Ursache für die Anlage eines größeren Lagerbestandes an Instrumenten. Sein Kundenstamm
war wahrscheinlich in dieser Zeit bereits so stabil, daß er nach Finanzbedarf verkaufen konnte. |
Im Jahre 1929 bezog Richard Jacob ein eigenes Haus in
der Goethestraße. Im Weltadressbuch der Musikinstrumenten-Industrie 1930
wird bereits die Goethestr. 2 als Geschäftsadresse geführt. Im
"Adressbuch für Markneukirchen und Umgebung für 1932" erscheint
interessanterweise neben dem Namen der Zusatz "Zithernm." Als wichtigen
Grund für den Neubau führte er an, sein "Lebenswerk" unterbringen zu
können (Martin Jacob, um 1985). Dennoch schränkte er wegen des
allgemeinen Wohnungsmangels die Eigennutzung sehr stark ein und
vermietete einige Wohnungen, wie er später selbst bekannte: "Ich nahm
die kleinste Wohnung im Haus [...] und ließ meine beiden Söhne unter dem
Dach schlafen. Das hatte gesundheitlich die Folge, daß der eine Sohn
sich jahrelang mit einem chronischen Nasenkatarrh herumplagte und der
andere immer Halsbeschwerden hatte." (R. Jacob 1948, S. 4) |
Von der Weltwirtschaftskrise ab 1929, die sich auch
auf den vogtländischen Musikinstrumentenbau in besonderem Maße
auswirkte, blieb Jacob weitaus weniger berührt, nicht zuletzt aufgrund
der bereits erwähnten Verkaufsstrategie. Arbeitslosigkeit, aufkommender
Nationalsozialismus und der Abbruch vieler Handelsbeziehungen mit
jüdischen Kunden im Ausland wirkten sich auf die kleineren
Privatkundengeschäfte im Inland auch nicht so erheblich aus. |
Seit 1932 arbeitete der 1917 geborene Sohn Arnold
Jacob in der väterlichen Werkstatt mit. In den Augen des Vaters war er
ein sehr guter Handwerker und Hoffnungsträger für die Fortsetzung der
Werkstatttradition. Bereits nach kurzer Zeit baute er vor allem
spanische Konzertgitarren in "bester Qualität" (Martin Jacob, um 1985,
S. 3). |
Der Zweite Weltkrieg wirkte sich auch für die
Werkstatt Weißgerber einschneidend aus. Arnold Jacob starb infolge einer
Kriegsverletzung an Diphtherie 1944 im Lazarett in Plauen. Ein Verlust,
den der Vater bis an sein Lebensende nicht verschmerzen konnte. Die
gesamte Werkstattarbeit und die Zukunftsplanung hatte sich ganz auf ihn
konzentriert. |
Der ältere Sohn Martin Richard (geb. 1911) hatte zwar
1926 in der väterlichen Werkstatt eine Ausbildung begonnen, brach diese
aber vorzeitig ab. Nach einem Pädagogikstudium in Leipzig war er als
Volksschullehrer im Schulbezirk Oelsnitz/Vogtland tätig. 1945 wurde er
als Mitglied der NSDAP aus dem Schuldienst entlassen und begann im
selben Jahr eine Umschulung zum Gitarrenbauer in der väterlichen
Werkstatt. 1949 legte er die Meisterprüfung ab (Im Stadtarchiv
Markneukirchen existiert in Verbindung mit einem Gewerbeantrag ein
Lebenslauf Martin Jacobs). Obwohl Martin die Arbeit seines Vaters sehr
schätzte, kam es immer wieder zu Unstimmigkeiten, vor allem in Bezug auf
die angewendeten technologischen Abläufe. |
In den Nachkriegsjahren beteiligte sich die Werkstatt
Weißgerber an Reparationsleistungen für die Sowjetunion (R. Jacob 1948,
S. 2; in dem oben erwähntem Beschwerdebrief geht hervor, daß Jacob seit
dem 3.2.1947 in den Wirtschaftsaufbau eingeschaltet war und mit seinem
Sohne sein Produktionssoll für die Rote Armee erfüllte). Die
Musikinstrumenten-Handwerker-Genossenschaft Markneukirchen (Migma,
gegründet 1943), der auch Richard Jacob angehörte, erhielt zwischen 1945
und 1949 zahlreiche Aufträge von der Roten Armee. Von März bis Oktober
1947 wurden 8331 Instrumente im Wert von 1471399 RM geliefert (Markneukirchener
Stadtgeschichte 1933-1948, Markneukirchen 1998, S. 76: Für die
Ablieferung erhielten die Hersteller ein warmes Mittagessen). |
Zeitweise mußte die Familie wegen der Beschlagnahmung
von Wohnraum für "Neubürger" äußerst beengt arbeiten. In einem deshalb
sehr energisch verfaßten Beschwerdebrief an das Wohnungsamt beschreibt
Richard Jacob die damaligen Arbeitsverhältnisse: |
"Weiter stehen Werkbänke, Tisch und Küchenmöbel so
eng beieinander, daß man sich bei der Arbeit nur mit größter Geduld und
Vorsicht bewegen kann,...Wenn mein Sohn oder ich Werkzeug aus dem
gegenüberliegenden Schrank brauchen, müssen wir hinter dem Küchentisch
herumlaufen. Schieben wir aber den Tisch zurück, so kann meine Frau vorn
nicht kochen. Meine Frau arbeitet praktisch auf einem Raum von 2qm und
mein Sohn und ich haben je 1qm. Alles andere ist verstellt und muß
dauernd verschoben werden. Wie oft habe ich schon Löcher in fertig
polierte Instrumente gestoßen (Beispiele können angesehen werden)." |
Die einsetzende Planwirtschaft wirkte sich auch auf
die Arbeitsbedingungen von Richard Jacob aus. Er litt unter den neuen
Verhältnissen, die eine freie Handwerksausübung weitgehend behinderten.
Die Arbeitsverhältnisse waren schwierig. Kontakte ins Ausland konnten
nicht oder nur schwer aufrechterhalten werden. |
Die Materialbeschaffung gestaltete sich zunehmend
schwieriger. Insbesondere der Bezug von importierten Material unterlag
einer unverhältnismäßigen Bürokratie, zumal die Handwerker zunehmend auf
Importe angewiesen waren. Über die Mißstände beklagten sich die
Vertreter der Handwerker-Genossenschaft bei höchsten Regierungsstellen
(vgl. Joppig 1993, S. 74). |
Der Absatz unterlag staatlichen Reglementierungen.
Vor dem Verkauf wurde von einer Kommission die Qualität der Instrumente
geprüft. Richard Jacob beklagte sich darüber in einem Brief an Siegfried
Behrend. Um zu erreichen, daß eine Gitarre zum Künstlerinstrument
eingestuft wurde, bedurfte es einer mehrwöchigen Prozedur. Jacob war
Mitglied dieser Kommission. Der offizielle Auslandsverkauf verlangte
gewaltige bürokratische Formalitäten und wurde daher über die
Genossenschaft abgewickelt. Richard Jacob befasste sich damit jedoch
nicht und lieferte nur noch ins Inland (vgl. Brief an Hansgeorg Pega,
Wiesbaden, vom 14. Juli 1959). |
In einem Brief vom 14. Juli 1959 an einen
westdeutschen Kaufinteressenten erklärt er: "Es ist mein höchster
Wunsch, wieder in aller Freiheit, wie vor dem Kriege der Arbeit und dem
Versand nachgehen zu können. Aber die Aussichten sind schlecht. Hoffen
wir weiter." |
Richard Jacob starb am 17. Juli 1960 im Alter von 83
Jahren an Magenkrebs. Seine ihm sehr verbundene Frau Maria Magdalena
überlebte ihn und starb 1969. |
Die Mehrzahl der Markneukirchener Gitarrenbauer
befriedigte um 1900 die Anforderungen des Exportgeschäfts z.B. nach
Übersee und produzierte die gängigen spanischen, französischen und
deutschen Modelle (Vgl. z.B. Katalog Paul Stark 1893). Die
Massenproduktion schien deutlich den Vorrang vor kunsthandwerklichem
Gitarrenbau zu besitzen. |
Das künstlerische Ansehen, das die Gitarre in
Markneukirchen besaß und die entsprechende Zielstellung bei der
Gesellenausbildung werden anhand einer Äußerung von Richard Seuß,
Gewerbelehrer an der Fachschule für Musikinstrumentenbauer in
Markneukirchen, aus dem Jahre 1933 deutlich: "Wer kann so wacker das
Fahrenlied begleiten, wer kann so drollig die Schnadahüpfs würzen, wer
kann so inniglich das beschauliche Volkslied umweben, wie es die
Klampfe tut! Dabei ist sie so anspruchslos! Wenn sie nur begleiten kann,
dann ist’s ihr schon recht! [...] Unser Meister setzt nun den Hals mit
Griffbrett und Wirbeln in den Schallkörper ein, leimt den Steg auf und
paßt das Knöpfchen für den Traggurt ein. Nun zieht er die 6 Saiten auf,
stimmt sie ein und ‚Schrumm – schrumm‘, - die Gitarre ist geboren für
sangesfrohe Leute!" (Seuß 1935, S. 315-316) |
Richard Jacob stellte gänzlich andere Ansprüche an
das Instrument. Die hochwertige Arbeit seines Vaters dürfte nicht
unmaßgeblich dieses Postulat geprägt haben. Bis zu seiner Heirat reiste
er sehr viel, vor allem nach Süddeutschland und Österreich. Dabei konnte
er Entwicklungen in Deutschland wahrnehmen. |
Mit den Aktivitäten des 1899 gegründeten
Internationalen Gitarristen Verbandes (IGV), der sein Zentrum in München
hatte, und dem tonangebend Otto Hammerer, Heinrich Scherrer, Heinrich
Albert und Fritz Buek angehörten, erwachte in der Öffentlichkeit das
Interesse an der Gitarre neu. Der Schwerpunkt der Arbeit dieses
Verbandes lag in Deutschland. Eine Aufstellung der Mitglieder von 1900
zeigt aber auch eine starke Vertretung von Rußland und Österreich (vgl.
Huber 1995 S. 34ff.). Es wurde auf die Traditionen des Biedermeier
zurückgegriffen, die Literatur des 19. Jahrhunderts herangezogen.
Einerseits entwickelte sich die Gitarre als Soloinstrument in der
Kunstmusik, andererseits fand sie als Dilettanteninstrument und zur
Liedbegleitung in der bürgerlichen Haus- und Salonmusik erneute
Verbreitung (Eine sehr ausführliche Beschreibung des Repertoires der IGV
ist bei Huber 1995, S. 199ff. dargestellt). Auch die Jugendbewegung
bemächtigte sich der Gitarre. Die daraus hervorgehende
Jugendmusikbewegung nach dem 1. Weltkrieg (z. B. die Wandervögel) gab
jedoch dem Lautenspiel (genauer: der Gitarrenlaute) den Vorzug und
lehnte die Gitarre als "mechanistisches" Instrument ab (vgl. Huber 1995,
S. 193f.). |
Der Gitarrenbau knüpfte ebenfalls an Traditionen des
19. Jahrhunderts an. Vor allem die späteren Entwicklungen wie Baß- ,
Bogen- und Wappengitarre aus dem deutsch-österreichischen Raum dienten
innerhalb der IGV als Basis für Weiterentwicklungen. (Eine Abbildung der
Gitarresammlung des IGV-Initiators Otto Hammerer mit neun- und
zehnsaitigen Baß- und Bogengitarren, sechssaitigen Gitarren in Wiener-
bzw. Wappenform zeigt Huber 1995, S. 142). |
Auch Richard Jacob griff zunächst den allgemeinen
Zeitgeist auf und orientierte sich an der Gitarre des Biedermeier. In
seiner ersten Schaffenszeit zog er Gitarren des 19. Jahrhunderts als
Vorbild- und Studieninstrumente heran. |
Wie stark Richard Jacob in dieser frühen Zeit mit dem
Internationalen Gitarrenverband in Verbindung stand, ist unklar. In der
Mitgliederliste von 1900 sind aus Markneukirchen die
Instrumentenfabrikanten Paul Herrnsdorf und Georg Victor Emanuel
Wettengel eingetragen (Huber 1995, S. 35ff.). Die Entwicklung des
Gitarrenspiels wurde in der Stadt jedenfalls mitverfolgt. In der in
München herausgegebenen Zeitschrift "Der Gitarrefreund" beteiligt sich
in den zwanziger Jahren Peter Harlan, Handwerker, Musiker und Philosoph,
rege an der Diskussion des Gitarrenbaus. Dieser ist für die Belebung
der alten Musik von Bedeutung, indem er in dieser Zeit in seiner
Werkstatt Nachbauten verschiedener historischer Instrumente herstellen
ließ. |
Die in Deutschland konzertierenden Künstler wurden
auch nach Markneukirchen eingeladen. Veranstalter war ein
Zupfinstrumenten- bzw. Zupfinstrumentenbauer-Verband Markneukirchen und
Umgebung. Die Besuche von Miguel Llobet und wiederholt von Andrés
Segovia in den zwanziger Jahren veranlassten Richard Jacob, seine
Produktion umzustellen und Gitarren spanischer Bauart herzustellen. |
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Auch mit Emilio Pujol und Luise Walker, die
ebenfalls in der Region gastierten, dürfte Jacob in Kontakt
gekommen sein. In der Zeitschrift "Der Gitarrefreund" erscheinen
bald regelmäßig Anzeigen von Richard Jacob. |
Annonce in: Der Gitarrefreund 26. Jg. Nr.
7/8, S. 4 |
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Der hohe Anspruch, den Richard Jacob sich für seine
Arbeit setzte, wird schon an seiner Firmenbezeichnung deutlich:
"Kunstwerkstätte Weißgerber". Für manchen Markneukirchener wirkte das
wohl befremdlich und wurde sicher auch als Überheblichkeit gewertet.
Doch führten anderenorts Werkstätten, wie beispielweise die Hermann
Hausers in München, ebenfalls die Bezeichnung "Kunstwerkstätten" im
Firmennamen. Der mit dem Werkstattnamen artikulierte Anspruch fand rasch
eine deutliche Bestätigung in der Fachwelt, wie der Berliner
Fachzeitschrift "Musikindustrie" vom 24. September 1921 zu entnehmen
ist: |
"An dieser Stelle möchte ich jeden Reflektanten
aparter vornehmer Arbeit, auf die in zahlreichen Geschmacksrichtungen
und Stilarten gebauten "Weißgerber"-Gitarren aufmerksam machen. – Ein
stiller denkender Mann, für den ich gerne eine Lanze breche, der den
Namen Gitarrbaumeister mit Recht trägt in künstlerischer, sauberer
Arbeit und Vielseitigkeit weit über das Schaffen der besten Meister
hinaus! Ein Mensch, den sich Markneukirchen nicht entgehen lassen
sollte, zum Nutzen der Allgemeinheit, als Stolz der Industrie, der aber
verdient, aus der Verborgenheit Markneukirchens, ans Licht gebracht zu
werden." (Nach Jacob 1933: Zs. Musikinstrumentenindustrie Nr. 20. Berlin
Sept. 1921). |
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1933 gab Richard Jacob einen Katalog, in dem
seine wichtigsten Gitarrenmodelle beschrieben und abgebildet
wurden, heraus. Zudem ließ er verschiedene Werbepostkarten mit
Fotographien seiner Instrumente drucken.
Weißgerber betrieb auch einen Instrumentenhandel. Im Katalog
verweist er auf ein weiteres Angebotsverzeichnis
"Hausmusikinstrumente für alte und neue Musik", in dem er
Gamben, Quintons, Fideln, einfache und doppelchörige Lauten und
Gitarren, Mandolinen, Zithern, Violinen, Bratschen, Akkordeons,
Saiten usw. anbietet. Dieser befruchtete das Gitarrengeschäft,
vor allem im Bereich der Dilettantenmusik. Seine Kunden kamen
vorwiegend aus dem Inland. Süddeutschland und Österreich waren
bevorzugte Absatzgebiete. |
Werbepostkarte, um 1930 |
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Mit seinen Künstlerinstrumenten erlangte Richard
Jacob bald internationalen Ruf. Er stand mit zahlreichen bedeutenden
Gitarristen in Kontakt, wie die Nachlaß überlieferten Briefwechsel
belegen. Zusammen mit diesen Musikern arbeitete er an der
Weiterentwicklung der Gitarre als Konzertinstrument. Er erhielt von
diesen nicht nur Anregungen, sondern auch Aufträge zum Bau bestimmter
Modelle. Heinz Teuchert, Begründer der Frankfurter Gitarren- und
Lautenschule, ließ sich eine Barock- und eine Renaissance-Laute bauen (Libbert
1994, S. 31f.). Zu Karl Scheit, Professor an der Musikhochschule in
Wien, bestand zunächst ein intensives Verhältnis, das sich in späteren
Jahren jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten auflöste. Ein
Leningrader Professor gab eine siebensaitige Terzgitarre in Wappenform
in Auftrag (Martin Jacob 1971). |
Eine ganz besondere Beziehung entwickelte sich ab
1951 zwischen Siegfried Behrend und Richard Jacob (Henke 2000). Die
erste Begegnung wird 1951 oder in den letzten Monaten des Vorjahres
stattgefunden haben. In den letzten Lebensjahren des Gitarrenbauers
bestand eine freundschaftliche Verbindung, gepaart mit einer intensiven
fachlichen Diskussion. Behrend, der bereits in sehr jungen Jahren eine
meisterliche Spieltechnik entwickelte, fand in Jacob einen erfahrenen
und offenen Meister, der gewillt war, auf die klanglichen Vorstellungen
des Gitarristen einzugehen. Die Anzahl der gebauten Instrumente
verringerte sich. Richard Jacobs kommentierte das pointiert: "Von Jahr
zu Jahr weniger und besser" (nach Maria Jacob, 2000, S. 4). Seinen in
mehreren Jahrzehnten erworbenen Erfahrungsschatz ließ er in die
Instrumente seiner späten Schaffensphase eingehen. Tatsächlich
entstanden in dieser Zeit diejenigen Instrumente, die ihm endgültig
Weltgeltung verschafften. |
Inhalt | Werk
| Weißgerber-Gitarren:
Überblick |
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