Modell "Rekord"
Thomas Ochs
Richard Jacob bezeichnet das Gitarrenmodell "Rekord" in seinem Katalog von 1933 als "eigenes Modell". Für seine anderen Gitarrenmodelle wählte er dagegen Bezeichnungen wie "Kopien nach alten klassischen Meistern" oder "Torres-Gitarre".
Handelskatalog der Firma Gebrüder Schuster / Markneukirchen (Sachsen), Liste Nr. 54 Der Rekord-Entwurf fällt durch seinen singulären Korpusumriss auf. Er ist in die frühe Schaffensphase Richard Jacobs einzuordnen, das heißt in eine Zeit, als er noch für ortsansässige Verleger arbeitete. In einem nicht datierten Handelskatalog mit dem Titel "Eine Auswahl feiner Gitarren und Lauten für Haus- und Konzertmusik bekannter und besonderer Formen aus den Werkstätten von Gebrüder Schuster / Markneukirchen (Sachsen), Liste Nr. 54" wird das Rekord-Modell unter dem Handelsnamen "Cid" in zwei Ausführungen zu 325 und 500 Reichsmark angeboten. Es zählt damit zu den teuersten Instrumenten in diesem Katalog: Angepriesen als "gediegenste Meisterarbeit" wird vor allem die "neue, auf ausgiebige Tonbildung gearbeitete Körperform" hervorgehoben.   Katalog 1933, S. 5, Nr. 70
Richard Jacob: Verkaufskatalog 1933, S. 5: "Nr. 70 Eigenes Modell Rekord" | Katalog der Handelsfirma Gebrüder Schuster, Markneukirchen, um 1930
In den signifikanten Konstruktionsmerkmalen wie Deckenbeleistung, Bodenbeleistung und Bodenwölbung und der Hals-Korpusverbindung erinnert das Rekord Modell stark an Richard Jacobs Wiener und Münchner Modelle. Wie diese besitzt das Rekordmodell fünf Querleisten auf der Decke und vier Querleisten auf dem stark gewölbten Boden.
Das Instrument Inv.-Nr. 4775 des Musikinstrumenten-Museums der Universität Leipzig ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in der ursprünglich von Richard Jacob gedachten Form vollendet worden. Entscheidende Merkmale wie Hals-Korpusverbindung, Mensur, Stegform und Stegposition belegen dies. Das Instrument sollte ursprünglich einen verstellbaren, geschraubten Hals bekommen. Das klein dimensionierte, aber relativ massive Stegfutter deutet auf einen geplanten Steckersteg hin, wie er im Katalog von 1933 abgebildet ist. Das angestückelte Griffbrett und die, in Bezug auf das Stegfutter, nach hinten verschobene Stegposition legen die Vermutung nah, dass die Gitarre für eine 625 mm Mensur konzipiert war. Unter dieser Voraussetzung würde der Schallochmittelpunkt genau auf der halben Deckenmensur liegen.   Richard Jacob: Modell Rekord, Markneukirchen 1924/1958; Inv.-Nr. 4775
Richard Jacob: Modell Rekord, Markneukirchen 1924/1958; Inv.-Nr. 4775
Vor der Einführung des spanischen Torres Modells entsprachen Gitarren nach Wiener und Münchner Bauweise in Deutschland dem allgemeinen Klangideal für die im Konzert verwendeten Instrumente. Auch die Platzierung in seinem Katalog hinter den Wiener Modellen und auf einer Seite mit einem Münchner Modell könnte auf eine Nähe hinweisen.
Möglicherweise wollte Richard Jacob das Wiener Modell weiter verbessern, um in Konkurrenz mit dem Markneukirchner Gitarrenbaumeister Hermann-Schneider treten zu können. An dessen Modellen hat sich Richard Jacob vermutlich selbst gemessen, da Martin Jacob über die Ansichten seines Vaters in der ersten Schaffensperiode schreibt: "Jene Wiener Meister (s.o.) hatten tonlich [sic!] schon eine neue Qualität erreicht, aber wahrscheinlich eignete sich ihr Modell zu wenig für Schmuckelemente, die Richard Jacob so bevorzugte. Vielleicht hatte auch der Markneukirchner Gitarrenbaumeister Hermann (Hermann-Schneider) das Modell schon optimal entwickelt." (Jacob, M. 1988, S. 1f)
Schablone Inv.-Nr. 5072/20/347; bezeichnet "1958 Rekord 102"; Länge: 488 Die Namensgebung als Modell "Rekord" läßt vermuten, dass dieses Modell zum Zeitpunkt des Entwurfs als Spitzenmodell konzipiert wurde. Auch die Beschreibung in den Katalogen und die Annonce in "Der Gitarrefreund" (Nr. 7/8; 1925) stellen das Instrument als ausgesprochen gut klingendes Solisteninstrument dar. Dagegen spricht allerdings, dass die Gitarre Nr. 4775 eine kurze Mensur, eine geringe Korpusgröße und ein geringes Korpusvolumen besitzt. Es handelt sich um ein kleines Modell, wie es für Richard Jacobs Dameninstrumente typisch ist. Es ist nicht bekannt, ob Richard Jacob ein Instrument gebaut hat, das auf der, im Musikinstrumenten-Museum der Universität Leipzig vorliegenden, deutlich größeren Deckenumriss-Schablone basiert.
Schablone Inv.-Nr. 5072/20/347; bezeichnet "1958 Rekord 102"; Länge: 488 
Eine entscheidende Klangverbesserung dürfte Richard Jacob allerdings mit dem Rekord Modell nicht gelungen sein. Die objektive messtechnische Klangbeurteilung zeigt, dass das Rekord Modell dem Wiener Modell Inv.-Nr. 4762 sehr ähnlich ist, aber beim Vergleich der Mittelwerte zur Klangbeurteilung unter dem Durchschnitt der Wiener Modelle liegt. Der Vergleich mit den Torres Modellen, die in ihren Mittelwerten erheblich höher liegen, macht schließlich deutlich, welchen Qualitätssprung die spanische Torres-Gitarre dem deutschen Gitarrenbau gebracht hat, zumindest wenn man vom heutigen Klangideal ausgeht. Dies hat auch Richard Jacob erkannt und seine Produktion komplett umgestellt (2. Schaffensperiode ab ca. 1922). Spätestens ab diesem Zeitpunkt dürfte das Rekord Modell keine größere  Bedeutung im Schaffen Richard Jacobs mehr besessen haben.
Die Umrissform des Korpus unterscheidet sich deutlich von den anderen Modellen Richard Jacobs und auch von anderen Gitarrenformen. Unter- und Oberbug liegen sehr weit auseinander und weisen an ihren Extrempunkten sehr enge Radien auf. So entsteht ein sehr ausgeprägter, langgezogener Mittelbug, der proportional stärker eingeschnürt ist, als bei den Münchner Modellen, jedoch nicht so stark wie bei den Wiener Modellen von Richard Jacob. Martin Jacob schreibt in Bezugnahme auf die Gitarre Inv.-Nr. 4775 des Musikinstrumenten-Museums der Universität Leipzig hierzu: "Das Modell ´Record´ ist mehr eine Spielerei der Form. Der Klangkörper wurde 1924 gebaut, also kurz nach einer langen Zeit der Beschäftigung mit den verschiedensten (...) Formen, und wo der Meister noch mit der Standardisierung seiner Produktion kämpfte, also mit der endgültigen Entscheidung für das spanische Modell Torres." (Jacob, M. 1986, S. 24)
4775 Proportionsanalyse Diese "Spielerei" zeigt jedoch bei genauerer Betrachtung eine wohl durchdachte Proportionierung. Als Maßgrund konnte die untere Korpusbreite (Kb) von 16 Zoll ermittelt werden. Auf diesen Maßgrund beziehen sich die Korpuslänge (Verhältnis: 6/5 Kb), die Korpusbreite am Oberbug (Verhältnis: ¾ Kb), die Schallochlänge (Verhältnis: ¼ Kb) und die Lage der Stegeinlage (Verhältnis: 3/8 Kb). Die Korpusbreite am Mittelbug steht im Verhältnis drei zu vier zur Korpusbreite am Oberbug. Der Entwurf zeigt weiterhin deutlich die Verwendung des Goldenen Schnitts als Proportionsgrundlage. Die Lage der minimalen Korpusbreite am Mittelbug teilt die Korpuslänge im Goldenen Schnitt. Ebenso teilt sie die Distanz der maximalen Breiten an Unter- und Oberbug im Goldenen Schnitt. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich hier um einen originären Entwurf von Richard Jacob handelt, die Komplexität schließt einen künstlerischen Freihandentwurf aus.
Inv. -Nr. 4775 Modell Record (1924/1958): Proportionsanalyse

Der exzentrisch wirkende Entwurf spiegelt deutlich die Verwendung des goldenen Schnittes als Proportionsbasis für die Korpuslängenverhältnisse wider: Die min. Korpusbreite befindet sich auf Höhe des Major der Korpuslänge; die Strecke zwischen den Lagen der beiden max. Korpusbreiten teilt sich auf Höhe der min. Korpusbreite im goldenen Schnitt.
Die Realisierung des Entwurfes zeigt sowohl in ästhetischer Hinsicht als auch  in der handwerklichen Ausführung der Korpora den meisterhaften Umgang Richard Jacobs mit der Auswahl der Materialien und ihrer Verarbeitung. Als Konzept muss das Modell Rekord aber im Kontext des wachsenden Klangbewusstseins gesehen werden, das durch die spanischen Virtuosen und ihre nach Torres gebauten Gitarren in Deutschland entstand. Die deutschen Gitarrenbauer waren gezwungen, sich auf das neue Klangideal einzustellen und die Nachfrage zu befriedigen. Das Rekord Modell mit seinem eindeutigen Bezug auf die Wiener Tradition konnte diese Prämissen nicht erfüllen und erlangte trotz des originellen, individuellen und ästhetisch ansprechenden weil wohl proportionierten Entwurfs keine Bedeutung.
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