Das Spanische Modell |
Annabelle Kießig |
Die allgemeine und relativ unspezifische Bezeichnung "Spanische Gitarre" diente gegen Ende des
19. und vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur
Kennzeichnung einer Korpusform, die deutlich von den stark taillierten Formen der Wiener und auch der Münchener Modelle abweicht. |
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Katalog der Handelsfirma Paul Stark, Markneukirchen 1893, S. 147:
"Guitarren. Spanisches Modell." |
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Katalog der Handelsfirma Michael Schuster jun., Markneukirchen 1891, S. 18:
"Guitarren nach spanischem oder französischem Modell, mit 6 Wirbeln." |
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Viele Gitarrenbauer verwendeten den Terminus zu einer entsprechenden Unterscheidung, wie aus Annoncen hervorgeht, z.B. August Strohmer,
Nürnberg (GF, 28. Jg. 1927, 11/12), Hugo Droechsel, Prag (ebd.), Fa. "Die Gitarre", Berlin ("Die Gitarre", 3. Jg., 1922, 8). Synonym tritt
die Bezeichnung "Achtform" auf (Karl Müller, in: GF, 26. Jg. 1925, 5/6). |
Die beiden Spanischen Modelle von Richard Jacob (Inv.-Nr. 4766 und 4768) weichen sehr stark voneinander ab. Inv.-Nr. 4766 assoziiert vom
Korpusumriß her eher ein Biedermeier-Modell. Martin Jacob beschreibt diese Gitarre als alte, schmale Form und klassifiziert sie als Spanische
Damengitarre (Martin Jacob 1971, S. 15). Sie hat vier Fächerleisten (das Biedermeier-Modell Inv.-Nr. 4752 sogar fünf), das Griffbrett geht bündig
in die Decke über und das ovale Schalloch ist mit Blattornamenten verziert. Der Kopf erinnert an die Vihuela-Modelle von Richard Jacob.
Als Spanisch erscheinen dagegen die Steckwirbel, wenngleich diese auch an vielen Gitarren zu finden waren, die nicht aus Spanien kamen. |
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Richard Jacob: Verkaufskatalog 1933, S. 6: "Gitarren spanischer Form aus der Kunstwerkstätte Weißgerber. /
Nr. 80 [...] einfache spanische Gitarre von Ahorn, altgoldfarbig, in solidester Ausführung, matte gebräunte Decke. [...]
Nr. 87 Konzert-Kontra-Gitarre [...] ist mit einfachem Kopf und mit ein, zwei oder drei freischwingenden Kontrabässen. Das
Anbringen von Kontrabässen auf so einfache Weise ist für künstlerisches Spiel und findet viel Beifall. Die tiefen Kontrabässe geben dem Instrument erhöhte
Klangwirkung und tonliche Belebung und eigenen sich zur Wiedergabe von Coste'schen und anderen Werken." |
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Inv.-Nr. 4768 (Baujahr 1923) kann auf den ersten Blick durchaus für ein "Torres-Modell" gehalten werden. Martin Jacob beschreibt diese
Korpusform jedoch als "Altspanisches Modell", führt aber weiter keine näheren Bestimmungsmerkmale an. 1947 sei der Hals nach "modernen
Ansprüchen" eingesetzt worden, womit sich Martin Jacob auf den Grat entlang des Halsrückens bezieht (Martin Jacob 1971, S. 17). Die
Korpuslänge ist mit 483,5 mm die größte unter den Spanischen und den Torres-Modellen, jedoch ist die Korpusbreite geringer, so daß die
Deckenfläche die zweit kleinste - neben der Inv.-Nr. 4766 - ist. Das Korpus der letztgenannten Gitarre ist etwas flacher als das der
Torres-Modelle, die Mensur von 650 mm aber vergleichbar. Der Umriß stimmt mit der Deckenschablone "177" überein (Musikinstrumenten-Museum
der Universität Leipzig, Inv.-Nr. 5072/347). Das Instrument könnte der im Katalog von Richard Jacob erwähnten Nr. 86 entsprechen. |
Bei diesem Spanischen Modell fällt die starke Deckenwölbung von etwa 5 mm auf. Der Boden ist etwas schwächer gewölbt. Da Decke und Boden
keine Hohlkehle aufweisen, müsste die Wölbung also mit den Balken eingebracht worden sein. Über die Arbeitsmethode können nur Vermutungen
angestellt werden, fest steht aber, daß Martin Jacob diese Wölbung als alte Meisterleistung beschreibt (Martin Jacob 1971, S. 17). Die Zargen
sind den starken Wölbungen angepasst, und die sieben auf den oberen Schallochrand zentrierten Fächerleisten sind mit 3 mm Breite eher
schmal-spitz gearbeitet. |
Richard Jacob war nur einer von vielen Gitarrenbauern in Europa, die sich seit den zwanziger Jahren dem Spanischen Gitarrenmodell widmeten,
jedoch einer der ganz wenigen, bei denen dieses Modell eine unverwechselbare, individuelle und geradezu faszinierende Klangcharakteristik erfuhr. |
Inhalt |
Gitarren: Übersicht |
4766 |
4768 |
© STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE 2000 |