Französische und flandrische Zistern des 18. Jahrhunderts
Andreas Michel
Nach ihrer Blütezeit im 16. Jahrhundert konnte die Zister keinen Eingang in das barocke Standardinstrumentarium des 17. und 18. Jahrhunderts finden. Etwa ab 1630 nehmen die Quellen sowohl zur musikalischen Praxis als auch zum Zisternbau vehement ab. Fortan findet man die Zistern ausschließlich in musikkulturellen Nischen und Refugien, insbesondere in einigen Bereichen der Haus- und Dilettantenmusik sowie der usuellen Praxis. Ein deutliches Indiz für den sozialen Wandel stellt die Qualifizierung des Zisternspiels als ausgesprochen weibliches Attribut dar.
Der kunsthandwerkliche Zisternbau erlebte allerdings noch mehrfach eine Blüte, zunächst an der Wende zum 18. Jahrhundert in Gestalt der vor allem in Norddeutschland kreierten "Hamburger Zithrinchen", einige Jahrzehnte später dann in der vorwiegend französisch geprägten höfischen Kultur, wo das Instrument als Bestandteil von "Schäferidyllen" zusammen mit Sackpfeifen und Drehleiern zum Modeinstrument stilisiert wird. Hier überragen in der Regel die instrumentenbaulichen Leistungen die musikalischen Ansprüche an das Instrument und seine Spieler zweifellos um ein Vielfaches. Die wenigen Tabulaturen des 18. Jahrhunderts stehen in ihrer Qualität etwa auf der Höhe von Werken für Mandora - einem weiteren zeitgenössischen Dilettanteninstrument (siehe Kirsch 1993). Cistre, G. Le Blond, Rouen 1773
Cistre, G. Le Blond, Rouen 1773, Inv.-Nr. 618
Parallel zur Entwicklung der English guitar wurden auf dem Kontinent von französischen und vor allem flandrischen Instrumentenbauern ebenfalls - in der Regel - sechschörige Zistern in Dreiklangsstimmung gefertigt. Zwar unterscheiden sich die Korpusformen der englischen und flandrischen Zistern voneinander - die birnenförmigen Deckenumrisse scheinen eine kontinentale Entwicklung zu sein, aber der Einfluß der englischen Produzenten ist allenthalben sichtbar. Vor allem die neuentwickelte Stimmvorrichtung "Preston's machine", die den klassischen seitenständigen Holzwirbeln Konkurrenz macht, bewirkt eine nachhaltige Änderung im kunsthandwerklichen Zisternbau. Die nun etwas unorganisch wirkende Gestalt des kurzen Wirbelkastens wird durch einen sichelförmigen Kopf, der in eine flache Platte ausläuft, ausgewuchtet. Neben die traditionelle Zisternform tritt als Neuerung der Bau von Theorben- oder Erzzistern.
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